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Karlspreis 2011 für Jean-Claude Trichet

Jean-Claude Trichet, Karlspreisträger 2011, (c) Stadt Aachen / Andreas HerrmannJean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), hat am Christi-Himmelfahrtstag 2011 (2. Juni) den Aachener Karlspreis erhalten. Im Krönungssaal des Aachener Rathauses fand die feierliche Überreichung der international renommierten Auszeichnung vor Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft statt. Mit der Auszeichnung wird der Einsatz Trichets für einen stabilen Euro, den Zusammenhalt der Europäischen Währungsunion und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Binnenmarktes gewürdigt, hieß es zur Begründung. Im Ergebnis sei der Euro eine Erfolgsgeschichte und habe den Grundstein des Wohlstands und der sozialen Sicherheit in Europa gelegt. Die Auswirkungen der Finanzkrise wären ohne Währungsunion und ohne die Europäische Zentralbank weit dramatischer gewesen.

 

Zahlreiche prominente Gäste

Auch der Karlspreisträger 1976, der ehemalige Ministerpräsident Belgiens, Leo Tindemans,  die Karlspreisträgerin 1981, die frühere Präsidentin des Europäischen Parlamentes Simone Veil, der Karlspreisträger 1993, der ehemalige Ministerpräsident Spaniens, Felipe Gonzáles Márques, der Karlspreisträger 1995, der frühere Bundeskanzler der Republik Österreich, Dr. Franz Vranitzky und der Karlspreisträger 2006, der Premierminister des Herzogtums Luxembourg, Dr. Jean-Claude Juncker waren auf dem Podium anwesend. Zu den Festgästen zählten darüber hinaus die Präsidentin des Bundesrates und Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, der Bundesminister für Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, der Initiator des Jugendkarlspreises, Dr. André Leysen und die Preisträger dieses Jahres, allen voran die Vertreterin des Siegerprojektes, Lucy Duggan aus Großbritannien.

Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff: "Vertrauen gewinnt"

Der Aachener Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff und Bischof Adrianus Herman van Luyn aus Rotterdam hatten vor Beginn der Preisverleihung zu Ehren Trichets einen Gottesdienst im Dom zelebriert. In seiner Predigt wies Mussinghoff auf viele Gemeinsamkeiten zwischen der Kirche und der EZB beziehungsweise dem Euro hin. Beide hätten einen gemeinsamen missionarischen Auftrag für die Menschen unseres Kontinents und darüber hinaus. „Der Euro steht aber auch für die soziale Identität Europas, für einen Solidarpakt der Stärkeren mit den Schwachen. Er ist ein Instrument zur Bewahrung des Friedens unter den Völkern und die wirtschaftliche Stabilität dieses Kontinents, in die zu vertrauen sich lohnt.“ Momentan sei das Vertrauen in die Kirche in einer Krise, wie es auch bei vielen Menschen eine Vertrauenskrise mit Blick auf die Finanzwelt und den Euro gebe. „Gemeinsam werden wir Vertrauen wieder gewinnen, weil Vertrauen gewinnt“, betonte Mussinghoff.

Oberbürgermeister Marcel Philipp: "Mit Leib und Seele für Europa"

„Die heutige Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen findet in einer Zeit statt, in der der Begriff Krise allgegenwärtig ist. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hält uns jetzt schon einige Zeit in Atem, und die Krise der Staatsfinanzen stellt Europa vor schwierige Herausforderungen“, betonte der Aachener Oberbürgermeister Marcel Philipp eingangs. Er stellte die frage, ob die Mechanismen, die uns die Errungenschaft einer gemeinsamen Währung ermöglicht haben, auch in schwierigen Zeiten für da Projekt Europa tragfähig sind. „Sicher ist, dass höchste Wachsamkeit gefordert ist. Aber ebenso sicher ist, dass wir vertrauen können auf Menschen, die im Bewusstsein um die Werte der europäischen Einigung verantwortungsvolle Entscheidungen treffen. Ein Mann, der mit Leib und Seele für Europa einsteht in einem schwierigen Amt, wird heute ausgezeichnet“, sagte der Oberbürgermeister.

Immerhin bestünde Einigkeit darin, dass es keine Euro-Krise gebe, sondern Verschuldungskrisen einzelner Mitgliedsstaaten. „Um dauerhaft wirtschaftliches Wohlergehen und solide Staatsfinanzen zu sichern, ist eine enge politische Koordinierung erforderlich. Wenn uns das nicht gelingt, dann werden wir unserer Verantwortung für die Zukunft unseres Finanz- und Wirtschaftssystems nicht gerecht“, mahnte Philipp. Trichet stehe für die Unabhängigkeit der EZB. Er sei der Garant dafür, dass die EZB ihrer großen Verantwortung für Europa gerecht wird. „Es gab und gibt die Menschen, die nicht nur die Strukturen mit Leben füllen, die verfügbaren Instrumente korrekt anwenden, sondern die darüber hinaus das richtige Gespür haben, die besonders wachsam sind, und die die vorhandenen Instrumente weiter entwickeln.“ Trichet trage maßgeblich dazu bei, das Stabilitätsversprechen der Gründerväter des Euro zu erfüllen. Der Beleg dafür seien die durchweg niedrigen Preissteigerungsraten. „Als oberster Währungshüter Europas hat er mit seinem wohl durchdachten Krisenmanagement und kluger Zinspolitik im Direktorium der EZB einer Verschärfung der Krise entgegen gewirkt und dabei auch unkonventionelle Maßnahmen, die man nicht in Lehrbüchern findet, ergriffen.“ Eine Katastrophe, wie die Weltwirtschaft sie im Jahr 1929 erleiden musste, sei dadurch verhindert worden. Für Trichet sei der Euro nicht nur ein Zahlungsmittel, sondern ein Frieden stiftendes Symbol für ein Europa, das vor ein paar Jahrzehnten noch in Trümmern lag. „Die Geschichte vom karolingischen Denar hin zum Euro ist nicht die Geschichte technischer Währungssysteme, sondern die Entwicklungsgeschichte unserer europäischen Kultur“, sagte Philipp. Die Errungenschaft von Frieden und Wohlstand sei die Geschichte von Menschen, die in den letzten 60 Jahren unser Europa gestaltet haben. „An dieser Entwicklung der Europäischen Union hat insbesondere die Europäische Kommission, die 1969 als Institution mit dem Internationalen Karlspreis ausgezeichnet wurde, großen Anteil.“

José Manuel Barroso: "Den Glauben an die Zukunft wecken"

In seiner Laudatio auf den diesjährigen Preisträger ging der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, zunächst auf die Krise ein: „Wir brauchen in diesen Zeiten ein europäisches Wir-Gefühl. Wir dürfen auch die Vergangenheit nicht aus dem Blick verlieren.“ Die früheren Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich haben die Beziehungen belastet und Europa zerrissen. „Wir dürfen heute nicht von einem Niedergang Europas sprechen, wir müssen den Glauben an die Zukunft wecken“, betonte Barroso. Europa mit seinen rund 500 Millionen Bürgern und 27 Mitgliedsstaaten sei die größte Handelsmacht weltweit und habe mit dem Euro die zweitstärkste Leitwährung. „Wir stehen an einem Kreuzweg, aber wenn Stürme aufziehen, muss man sich bewähren. Aachen ist der ideale Standpunkt, um das Gewicht des europäischen Geistes zu spüren“, sagte Barroso, der Trichet als entschiedenen Verteidiger der Unabhängigkeit der EZB und eine der stärksten Persönlichkeiten der europäischen und der weltweiten Finanzwirtschaft bezeichnete. Trichets achtjährige Amtszeit als EZB-Präsident endet im Herbst. „Die EZB hat auch in schweren Zeiten das notwendige Vertrauen geschaffen und damit einen nicht zu unterschätzenden Beitrag auf dem Weg zum Gelingen des großen europäischen Projekts geleistet“, sagte Barroso.

Jean-Claude Trichet: "Eine Krise des Euros gibt es nicht"

Trichet zeigte sich tief bewegt: „Ich fühle mich als stünde ich auf den Schultern eines Riesen.“ Eine Krise des Euros gebe es nicht, vielmehr sei die neue Währung stark wie die Mark. „Es gibt mehr Preisstabilität und 14 Millionen neue Arbeitsplätze. Außerdem war der Euro seit Mai 2010 Garant und Anker für eine konjunkturelle Erholung und neues Wirtschaftswachstum.“ Um finanzschwachen Mitgliedsstaaten zu helfen, regte Trichet ein Zwei-Stufenmodell an, für das es allerdings einer Veränderung des EU-Vertrages bedürfe. „Zunächst sollten betreffende Staaten die Möglichkeit zur Selbstkorrektur haben, um die Stabilität wiederherzustellen“, erklärte Trichet. Falls dies nicht gelinge, sollten europäische Institutionen eingreifen und entscheiden und beispielsweise ein Veto gegen wirtschaftspolitische Entscheidungen einlegen.

Trichet wurde am 20. Dezember 1942 in Lyon geboren. Nach dem Schulbesuch in Paris absolvierte er die Bergbauakademie in Nantes, 1966 erwarb er in Paris ein Diplom in Politikwissenschaft und eine Licence in Ökonomie. Von 1969 bis 1971 besuchte er die Elitehochschule ENA. Danach arbeitete er im französischen Wirtschafts- und Finanzministerium. 1987 übernahm er das Schatzamt. In der Folgezeit vertrat er Frankreich unter anderem bei der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und bei den Verhandlungen über die Wirtschafts- und Währungsunion. Am 1. November trat er seine achtjährige Amtszeit als Präsident der Europäischen Zentralbank an.

Der Internationale Karlspreis zu Aachen gilt als einer der bedeutendsten europäischen Preise. Er wird seit 1950 an Personen und Institutionen verliehen, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben. Letzter Preisträger war der polnische Ministerpräsident Donald Tusk. Zu den früheren Preisträgern gehörten u.a. Konrad Adenauer (1954), die Europäische Kommission (1969), der spanische König Juan Carlos I. (1982), Francois Mitterand und Helmut Kohl (1988), Václav Havel (1991), Königin Beatrix der Niederlande (1996), der amerikanische Präsident Bill Clinton (2000) , der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker  (2006), der  Spanier Javier Solana (2007) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (2008). Im März 2004 erhielt Papst Johannes Paul II. einen außerordentlichen Karlspreis.

Verliehen wird neben einer Urkunde auch eine Medaille, die auf der Vorderseite das älteste erhaltene Stadtsiegel Aachens aus dem 12. Jahrhundert mit thronendem Karl dem Großen und auf der Rückseite eine Inschrift für den jeweiligen Preisträger zeigt.

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