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Inhalt



Konferenz

"Gerechtigkeit in Europa"

 

Ziel

Das Ziel der Konferenz besteht darin, Beiträge zur Erarbeitung eines mehrdimensionalen und auf die Integration Europas bezogenen Gerechtigkeitsbegriffs zu leisten.

Damit reagiert die Konferenz auf zwei Mängel, unter denen die bisherige Gerechtigkeitsdiskussion leidet: Gerechtigkeit wird inhaltlich zu eindimensional gefasst und räumlich zu sehr auf die Einzelstaaten begrenzt. Zu eindimensional ist die Gerechtigkeitsdiskussion, wenn sie nur eine Ebene der Gerechtigkeit in den Blick nimmt. Dann wird beispielsweise Bildungsgerechtigkeit unverbunden neben Generationengerechtigkeit oder Steuergerechtigkeit gestellt. - Räumlich zu begrenzt ist die Gerechtigkeitsdiskussion, wenn sie nur die Ebene der Nationalstaaten in den Blick nimmt. Die europäische Integration hat heute ein Niveau erreicht, in dem die innerstaatliche Perspektive durch den Blick über die Ländergrenzen hinweg abgelöst werden muss.

Das europäische Sozialmodell: Sektion 1

Seit der letzten EU-Erweiterungsrunde sind Gerechtigkeitsfragen zu einem zentralen politischen Thema geworden. Die heftigen Debatten über die geplante Dienstleistungsrichtlinie haben das sichtbar gemacht. Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich in ihrer Abschlusserklärung Ende März 2005 in Brüssel zum "europäischen Sozialmodell" bekannt. Es ist aber offen, worin dieses besteht. Strictu sensu gibt es kein europäisches Sozialmodell, sondern es gibt Sozial- und Wohlfahrtsstaaten in Europa. Die Sozial- und Wohlfahrtsstaatspolitik liegt nach wie vor in der Hand der Einzelstaaten. Die Frage ist, ob es angesichts der Globalisierungsprozesse und angesichts der Krise, in der sich die Sozialstaaten Europas befinden, bei der sozialpolitischen Abstinenz der EU bleiben kann. Nicht nur in der praktischen Politik, sondern auch in der Wissenschaft ist der Blick auf Gerechtigkeitsfragen immer noch durch die nationalstaatliche Perspektive bestimmt. Die einzelstaatliche Engführung der Ungleichheits- und Gerechtigkeitsforschung erweist sich jedoch zunehmend als unangemessen. Die europäische Integration zwingt dazu, soziale Ungleichheiten nicht mehr nur innernational, sondern über die Ländergrenzen hinweg in den Blick zu nehmen. Plenumsvortrag und Sektion sollen sowohl die politische wie die theoretisch-konzeptionelle Dimension der Frage nach einem europäischen Sozialmodell erörtern.

Werteveränderung und Gerechtigkeit in Europa:
Sektion 2

Bei der Suche nach den kulturellen, geistigen und politischen Wurzeln Europas spielt der Bezug auf Gerechtigkeit eine prominente Rolle. Das Verhältnis von individueller Freiheit und Solidarität, so heißt es oft, wird in Europa anders bestimmt als zum Beispiel in den USA. Dann aber gefährdet die gegenwärtige Krise der Sozialstaaten in Europa nicht nur Wachstum und Wohlstand, sondern auch das sich mühsam herausbildende europäische Selbstbewusstsein. Die Sektion soll den historisch und systematisch ausgerichteten Versuch machen, die Bedeutung der Gerechtigkeit in den Selbst- und Fremdbeschreibungen Europas zu erörtern.

Kulturen der Gerechtigkeit in Europa: Anerkennung oder Umverteilung: Sektion 3

Neben den Debatten über Gerechtigkeit ist die Diskussion über Anerkennung das zweite große Thema der moralphilosophischen und gesellschaftstheoretischen Diskussionen der letzten Jahrzehnte. Bei der Gerechtigkeitsdiskussion ist die Gleichheit, bei der Anerkennungsdiskussion die Differenz der zentrale Referenzpunkt. Anerkennung bezieht sich auf das Anerkennen von Unterschieden und Besonderheiten, also auf Heterogenität, und ihr Impuls richtet sich gegen (nivellierende) Gleichheit als Gleichmacherei. Umverteilung verfolgt dagegen das Ziel der Herstellung gleicher Lebensverhältnisse, bezieht sich also auf Homogenität. Unter dem Stichwort der Anerkennung geraten die gegenwärtig das Bild weithin bestimmenden Kämpfe und Konflikte zwischen den Religionen und Kulturen in den Blick. Die Politik der Umverteilung wird eher mit der Epoche der sozialdemokratisch geprägten Sozial- und Wohlfahrtsstaaten in Verbindung gebracht. - Möglicherweise lässt sich die Debatte auch in einer anderen, von Aristoteles herkommenden Theoriesprache ausdrücken, nach der es darum geht, Gleiches und Gleiche gleich zu behandeln, Ungleiches und Ungleiche aber ungleich. Plenumsvortrag und Sektion sollen die Debatte über Gerechtigkeit, Umverteilung und Anerkennung weiterführen und sie auf die realen gegenwärtigen kulturellen und sozialen Konflikte in Europa beziehen.

Gerechtigkeit und Zivilgesellschaft in Europa: Sektion 4

Zivilgesellschaftliche Akteure, Gewerkschaften, Kirchen, Sozialverbände, soziale Bewegungen sind an der praktischen und politischen Aushandlung dessen, was in einer Gesellschaft jeweils konkret als gerecht gilt, entscheidend beteiligt. Sind zivilgesellschaftliche Akteure neue Instanzen für die politische Durchsetzung von Gerechtigkeit, oder ist schon ihr Wirken im Sinne einer erweiterten Form des "governance" ein Beitrag zur politischen Gerechtigkeit als gleichmäßiger Teilhabe möglichst Aller? Wenn die Rede vom europäischen Sozialmodell inhaltlich und handlungslogisch einen Sinn ergeben soll, dann ist eine zunehmende Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure in die zwischenstaatlichen Aushandlungsprozesse und deren Vernetzung zum Zwecke der effizienten Einflussnahme im europäischen Rahmen unabdingbar. Dem stehen jedoch vielfältige interne und externe Hemmnisse im Wege. Die Sektion soll dieses Thema aus akteurspolitischer und analytischer Perspektive in den Blick nehmen.

Die globale Dimension der Gerechtigkeit

Gerechtigkeitsfragen lassen sich nicht auf Einzelstaaten oder auf Europa beschränken. Sie zielen aufs Ganze, auch in der Reichweite ihrer räumlichen Geltung. Das zeigt sich beispielsweise an der Dynamik, mit der in der Nachfolge von Rawls, etwa von Pogge oder Beitz, das Thema "global justice" aufgegriffen worden ist. Dass die extreme Ungleichverteilung von Reichtum und Armut in der Welt, dass Hunger und Unterernährung unter moralischen Gesichtspunkten skandalös sind, ist eine naheliegende Intuition. Wie dieses Thema unter politischen und gerechtigkeitstheoretischen Perspektiven behandelt werden kann, steht auf einem anderen Blatt. Der Plenumsvortrag zum Abschluss des Kongresses soll die Frage nach einer gerechten Weltordnung in der Spannung von moralischen, politischen und theoretischen Perspektiven erörtern.

Arbeitsweise

Die drei Plenumsveranstaltungen dauern 90 Minuten und bestehen aus einem 50-minütigen Vortrag bzw. aus zwei 25-minütigen Vorträgen plus Diskussion. Die vier Sektionen tagen parallel und dauern vier Stunden. Die jeweiligen Sektionsleiter eröffnen die Sektionen mit einem 20-minütigen Vortrag. Zu späteren Zeitpunkten folgen zwei 20-minütige Kurzreferate anderer Referenten. Außer den Sektionsleitern und Referenten beteiligen sich fünf bis zehn Fachleute als Diskutanten an der Arbeit in den Sektionen. Die wissenschaftliche Leitung der Konferenz liegt in den Händen von Prof. Dr. Helmut König und Prof. Dr. Emanuel Richter (beide RWTH Aachen). Für die Organisation und Durchführung der Konferenz sind Sabine Schielke und Julia Schmidt verantwortlich.

Konferenzagenda

Montag, 22. Mai 2006 - Hauptgebäude der RWTH, Aula 1

19:00 - 19:30 Einführung und Grußworte des Oberbürgermeisters und der Veranstalter
19:30 - 21:00

Julian Nida-Rümelin (München): Gerechtigkeit und europäische Politik

Dienstag, 23. Mai 2006 - Eurogress

09:00 - 09:30 Offizieller Tagungsbeginn, Begrüßung
09:30 - 11:00 Nancy Fraser, New York: Abnormal Justice
Moderation: Gero v. Randow
11:00 - 11:30 Kaffeepause
11:30 - 13:00 Wolfgang Kersting, Kiel: Facetten der Gerechtigkeit
Moderation: Christine Pries
13:00 - 14:30 Mittagspause
14:30 - 18:30

Sektionen

1) Das europäische Sozialmodell
Leitung: Frank Nullmeier, Bremen
Impulsreferat: Wolfram Lamping, Hannover
Diskutanten: Silke Bothfeld, Düsseldorf
Simone Leiber, Düsseldorf

2) Der Wert der Gerechtigkeit für die Identität Europas
Leitung: Hartmut Kaelble, Berlin
Impulsreferat: Jens Nordalm, Berlin
Diskutanten: Tanja Anette Glootz, Berlin
Tannelie Blom, Maastricht

3) Kulturen der Gerechtigkeit in Europa: Anerkennung und Umverteilung
Leitung: Wilfried Hinsch, Aachen
Impulsreferat: Stephan Gosepath, Gießen
Christine Chwaszcza, Florenz
Diskutanten: Susanne Boshammer, Zürich
Frank Dietrich, Leipzig
Lukas Meyer, Bern
Markus Stepanians, Saarbrücken

4) Gerechtigkeit und Zivilgesellschaft in Europa
Leitung: Ansgar Klein, Berlin
Impulsreferat: Annette Zimmer, Münster
Diskutanten: Christian Lahusen, Bamberg
Marcus Llanque, Duisburg-Essen
Thomas Olk, Halle

Mittwoch, 24. Mai 2006 - Eurogress

09:00 - 11:00 Podiumsdiskussion:
Diskussion der Ergebnisse in den Sektionen mit
Wilfried Hinsch, Hartmut Kaelble, Ansgar Klein, Helmut König, Frank Nullmeier, Emanuel Richter
11:00 - 11:30 Kaffeepause
11:30 - 13:00 Otfried Höffe, Tübingen: Gerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung
13:00 Ende der Konferenz

 

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Buchcover "Gerechtigkeit in Europa"