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Das Archivale des Monats November 2023 …

  • … zeigt einen Brief des Leipziger Bundesvorstandes des Arbeiter-Turn- und Sportbundes vom 22. März 1929. Das Schreiben ist an Hubert Gobbelet von der Freien Westdeutsche Spielvereinigung, also des Aachener Bezirks dieses Sportbundes, gerichtet.
  • Dieser Brief gehört zu einer Anzahl von Schriftstücken aus den späten 1920er-Jahren, die vor etwa drei Jahren bei Umbauarbeiten in einem Privathaus im Herzogenrather Stadtteil Merkstein entdeckt wurden. Sie waren in einer Zwischenwand verborgen und stark geschädigt.
  • Es handelt sich in der Hauptsache um Schriftverkehr von Aachener Funktionären des Arbeiter-Turn- und Sportbundes aus den Jahren 1927 bis 1929. Dies war ein sozialdemokratischer Sportverband mit Sitz in Leipzig.

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Quelle: StAAc, VER 45-3


Das Aachener Stadtarchiv zeigt aus seinen Magazinen regelmäßig interessante Stücke als Archivale des Monats. Das Stück mit einem kurzen Begleittext wird in einem Schaukasten im Foyer des Stadtarchivs am Reichsweg sowie digital auf der Homepage des Archivs präsentiert. Im November 2023 zeigt das Archivale des Monats einen Brief des Leipziger Bundesvorstandes des Arbeiter-Turn- und Sportbundes vom 22. März 1929. Das Schreiben ist an Hubert Gobbelet von der Freien Westdeutsche Spielvereinigung, also des Aachener Bezirks dieses Sportbundes, gerichtet.
Bei Umbauarbeiten vor etwa drei Jahren wurden in einem Privathaus im Herzogenrather Stadtteil Merkstein Schriftstücke aus den späten 1920er-Jahren entdeckt. Sie waren in einer Zwischenwand verborgen und stark geschädigt. Versteckt waren außerdem eine Fahne der örtlichen SPD und persönliche Dokumente.

Merkstein gehörte zu den Orten der Region, in denen die Arbeiterbewegung besonders präsent war. Das Haus, in dem die Unterlagen gefunden wurden, gehörte dem Mitglied einer sozialdemokratischen Gruppe, die später Widerstand gegen das NS-Regime leisten sollte. Auch der Besitzer selbst war politischer Verfolgung und Haft ausgesetzt. Wir können also annehmen, dass er oder seine Familie sich um 1933 entschlossen, diese Dinge vor den Nazis zu verbergen - wohl um zu einem späteren Zeitpunkt damit weiterarbeiten zu können.

Restaurierungswerkstatt
Die jahrzehntelange Lagerung im Mauerwerk hatte die Schriftstücke sehr stark geschädigt. Sie mussten daher durch die Restaurierungswerkstatt des Stadtarchivs stabilisiert werden, sind nun aber der Forschung zugänglich.

Es handelt sich in der Hauptsache um Schriftverkehr von Aachener Funktionären des Arbeiter-Turn- und Sportbundes aus den Jahren 1927 bis 1929. Dies war ein sozialdemokratischer Sportverband mit Sitz in Leipzig. Er war in Kreise untergliedert, Aachen bildete Bezirk 9 des Kreises 6. Dieser Kreis 6 trat auch unter dem Namen Freie Westdeutsche Spielvereinigung auf. Vertreten wurde der Aachener Bezirk durch Hubert Gobbelet. Dieser lebte in der Stromgasse 10 in Aachen und war von Beruf Tagelöhner. Im Rahmen der Verbandstätigkeit korrespondierte er einerseits mit der Leipziger Bundesleitung und ihren für den Fußball zuständigen Gremien, andererseits mit zahlreichen Fußballvereinen und -mannschaften in Aachen und Umgebung, die sich als Teil der Arbeiterbewegung begriffen und dem Arbeiter-Turn- und Sportbund angehörten.

Auch der abgebildete Brief des Leipziger Bundesvorstandes vom 22. März 1929 ist an Hubert Gobbelet gerichtet. Der Bundesvorstand bezieht sich auf einen vorausgegangenen Bericht über die Freie Spielvereinigung Würselen. In diesem Verein hatte eine Abstimmung über die künftige Ausrichtung stattgefunden, die „mit 7 gegen 4 Stimmen gegen unseren Bund“ ausgegangen war. Der Bundesvorstand legte den „bundestreuen“ Mitgliedern nun nahe, einen neuen Verein zu gründen, und sicherte ihnen eine neue „Spielmöglichkeit“ zu.

Gegen die kommunistische Strömung
Hintergrund waren die zunehmenden Spannungen innerhalb der politischen Linken in den letzten Jahren der Weimarer Demokratie. In dem Schreiben klagt die Bundesleitung: „Es ist nur schade, dass auch im 6. Kreis [also im Aachener Bezirk] ein grosser Teil der Fussballspieler sich von den kommunistischen Fraktions- und Zellenbauern missbrauchen lassen.“ Auch im Fall des Würselener Vereins hatte sich eine Mehrheit, die der KPD angehörte oder nahestand, für einen Austritt aus dem SPD-nahen Verband ausgesprochen. Um besser gegen die kommunistische Strömung argumentieren zu können, übersandte der Bundesvorstand außerdem eine Broschüre, die leider nicht überliefert ist.

Der Arbeiter Turn- und Sportbund entwickelte sich in diesem Zeitraum bereits zu einem professionell organisierten Fußballverband. Hierfür steht das Emblem in der Mitte des Briefkopfs. Es zeigt zwei in Rot gehaltene Sportler*innen in roten Trikots und wirbt für das „2. Arbeiter-Turn- und Sportfest 1929“ in Nürnberg. Im Schriftwechsel mit dem Aachener Bezirk warb der Verband intensiv für die Teilnahme an diesem überregionalen Turnier und zeigt Wege auf, wie auch kleine Fußballmannschaften teilnehmen könnten. In einem anderen Schreiben wird der Aachener Bezirk ermahnt, die Übertragung der hiesigen Fußballspiele durch den Westdeutschen Rundfunk nicht durch leichtfertige Versäumnisse zu gefährden. Es bestand also bereits ein waches Bewusstsein für die Bedeutung der neuen Medien für den Sport.