Alles fing mit Urlaub in der Schweiz an. Von dort hat Reiner Nerlich das Zuhörbänkli als Anregung mitgebracht. Weitere Recherchen ergaben dann, dass es auch in Deutschland schon Erzähl- und Zuhörbänke gibt – mit unterschiedlichen Konzepten und von unterschiedlichen Initiator*innen. Und selbst Aachen hatte schon einmal eine mobile Zuhörbank im Westpark.
2023 wurde dann die Idee weiter aufgegriffen. Ohne große Kosten wollten wir uns auf Bänke setzen, aktiv Passant*innen ansprechen und auf Basis dieser Erfahrungen ein Nutzungskonzept entwickeln.
Projektablauf
Diese Idee der Erzählbank hat dann aber eine Eigendynamik entwickelt. Mit Bänken in allen 14 Bezirken des Senior*innenrats wurde 2024 aus dem Feldversuch plötzlich ein Projekt mit einer Vielzahl von Beteiligten.
Die Idee, wir bringen in Abstimmung an Bänken selbstfinanzierte Plaketten an, ging jetzt nicht mehr und Budget musste zur Umsetzung her. Die Leitstelle „Älter werden in Aachen“ kämpfte mit großem Engagement für ein Budget für das Jahr 2025. In der Zwischenzeit wurden die potentiellen Erzählbänke in den Bezirken identifiziert und auch die Größe der Plaketten mit den Zuständigen abgestimmt.
Letztendlich musste auch ein prägnanter Name gefunden werden – „Mullebank“. Aber was heißt eigentlich „Mullen“. Aachener kennen schon seit 1984 den „Mulleklenkes“, jenen 133 m hohen Sendeturm auf der Karlshöhe. Nun bekommt er die „Mullebänke“ zur Seite gestellt. Und während der Turm nur sendet, funktionieren die Mullebänke bidirektional – Quatschen und Zuhören. Und damit auch Nicht-Aachener*innen wissen, was mit „Mullen“ gemeint ist, haben die „Mullebänke“ den Untertitel und gleichzeitig die Aufforderung „Lass mal quatschen“ erhalten.
Zwei Jahre hat es von der Idee bis zur Umsetzung gedauert. Im Frühjahr 2025 ging es plötzlich rasend schnell. Die ausgewählten Bänke wurden aufgearbeitet und mit den Plaketten versehen – deshalb ein Dankeschön an alle, die mitgewirkt haben und nicht frühzeitig aufgegeben haben.

Am 19. Mai 2025 wurde dann die erste Bank direkt prominent besetzt. Mit Aachens Oberbürgermeisterin Sybille Keupen nahm die erste Aachener Seniorin auf einer Mullebank im Kaiser-Friedrich-Park am Hangeweiher Platz. Als amtierende Oberbürgermeisterin ist man eher nicht einsam, aber damit wurde zumindest ein kleiner Baustein gegen die Einsamkeit real.
Wie geht es weiter?
Auch die Mullebänke benötigen eine Anlaufzeit, bis sie bekannt sind. Deshalb sitzen Mitglieder einiger Bezirke des Senior*innerats regelmäßig auf Mullebänken und laden Passant*innen zu Gesprächen ein. Manche Menschen reagieren hierauf irritiert, die meisten sind aber begeistert und unterstützen uns weiter durch Mundpropaganda.
Zwar hat der Senior*innenrat mit Unterstützung der Stadt Aachen die Mullebänke initiiert, aber Einsamkeit ist nicht nur ein Thema älterer Mitbürger*innen, sondern generationsübergreifend und unabhängig von der Herkunft. Dieser übergreifende Austausch ist aktuell aber trotz gemeinsamer Schnittmengen noch eher die Ausnahme. Aber man muss ja auch Visionen haben - vielleicht spielt irgendwann auch ein Italiener seiner Gesprächspartnerin auf der Mullebänke einige Liebeslieder vor. Visionen? Nein, das ist bereits in Burtscheid passiert. Wie die Story auch weitergegangen ist, wird nicht verraten.
Leider sind bereits nach kurzer Zeit erste Bänke beschmiert worden. Als Senior*innenrat werden wir also auch darauf achten m,üssen, dass die Bänke auch zukünftig noch zum Mullen einladen.
Die Stadt hat zudem eine „Mulle-Karte“ erstellt, in der die Mullebänke in Aachen verzeichnet sind:
Brauchen wir für die Mullebänke auch eine Nettikette? Setzt sich die Polarisierung der Gesellschaft auch auf den Bänken fort? Wir werden dieses beobachten müssen. Erst einmal hoffen wir, dass hierdurch eher das Miteinander gefördert wird. Denn nur durch miteinander „Mullen“ können wir Grenzen im Kopf überwinden.
