Immer wieder werden wir auf den Wochenmärkten in Burtscheid nach der Bedeutung von „Mullen“ gefragt. Jetzt müssen wir aber mal fragen: „Was ist denn eine Kletskassa?“
Wenn wir in den Supermarkt einkaufen gehen, stehen wir oft ungeduldig an der Kasse. Uns kann es oft gar nicht schnell genug gehen. Dafür wechseln wir die Schlangen oder scannen einfach selber. Dabei übersehen wir, dass unter den Wartenden vielleicht auch Menschen sind, für die der Einkauf eine der wenigen Außenkontakte ist – ein Highlight gegen die Einsamkeit.
Die Supermarktkette „Jumbo“ leistet in den Niederlanden einen eigenen Beitrag gegen Einsamkeit und ergänzt das Kassenangebot um Kletskassas, also „Plauderkassen“. Hier wird den Käufer*innen ohne Aufpreis Zeit geschenkt. Das speziell geschulte Personal nimmt sich die Zeit für einen kleinen Plausch – so wie es früher im Tante Emma-Laden noch üblich war.
In 50 Filialen bietet Jumbo zusätzlich Kletswandeling, also Plauderspaziergänge an. Anwohner sind unabhängig von ihrer Fitness zu einen geselligen Spaziergang eingeladen. Begleitet werden sie hierbei von geschulten Mitarbeiter*innen.
Zusätzlich haben einige Jumbo-Märkten Koffiecorner – wir würden „Mullebänke“ sagen, bei denen sich Kunden bei (kostenlosen) Kaffee und Kuchen ausruhen und mit dem Sitznachbar oder der Sitznachbarin unterhalten können. So wird der Supermarkt für Menschen, die nicht in Eile sind, auch zum Ort der Begegnung.
Die Angebote werden zwar vorrangig – aber nicht ausschließlich – von älteren Menschen geschätzt. Bei einen Senior*innenanteil von über 30% der Bevölkerung könnte dieses auch ein Alleinstellungsmerkmal für Supermärkte in deutschen Innenstädte sein. Ein bisschen Retro-Feeling muss nicht unbedingt schlecht sein.
Natürlich ist dieses auch ein Marketing-Instrument mit dem Ziel, Kunden und das soziale Umfeld an den Markt zu binden. Aber beim Social Marketing stehen nicht ein Produkt oder ein Brand im Vordergrund, sondern Werte und gesellschaftliche Veränderung. In diesem Fall wird mit der Einsamkeit ein wichtiges Problem unserer Zeit aufgegriffen – deshalb gerne auch mehr Social Marketing in Deutschland.
Nachtrag:
Die Idee für diesen Beitrag ist in einem Gespräch auf einer unserer Mullebänke entstanden. Der Gesprächspartner hat uns auf die Kletkassas hingewiesen. Wir haben recherchiert und Jumbo zum Gesamtkonzept kontaktiert. Hierbei muss man berücksichtigen, dass Jumbo-Märkte teilweise auch von Franchise-Nehmern betrieben werden und damit die sozialen Angebote variieren können.

