„Man sieht nur, was man weiß“– Diese Erkenntnis stand ganz am Anfang der Überlegungen zur Sichtbarmachung des Pfalzbezirks im Stadtraum Aachens. Neben baulichen Maßnahmen zur Verbesserung der Freiräume rund um die Welterbestätte Aachener Dom war von Beginn an geplant, die Bedeutung und Geschichte des Ortes auch im öffentlichen Raum klar zu machen, d.h. zu erzählen. Denn nur der Eingeweihte erkennt die Spuren der Geschichte und die Besonderheiten des Ortes.
Mit der Ausstellungsmacherin Monika Müller-Rieger wurde ein Konzept für den Stadtraum erarbeitet, aus dem die sechs Chronoskope hervorgingen. Dabei handelt es sich um ca. 2,50 Meter hohe Stelen, in denen animierte Bilder, Filme zum Thema des Standortes laufen. So erhält der Passant Informationen über das Besondere des jeweiligen Ortes, seine Bedeutung, seine Entstehung und seine Entwicklung über die Jahrhunderte.
Die sechs Themen sind:
Dom
Die Pfalzkirche Karls des Großen, das karolingische Oktogon, war bei ihrer Erbauung der höchste Kuppelbau nördlich der Alpen. Der Kirchenbau wurde zwischen 794 und 810 nach byzantinischen Vorbildern errichtet. Seine Nutzung war nicht der Herrscherfamilie und dem Hofstaat vorbehalten, da Karl der Große ihn auch als Stiftskirche für eine feste Gemeinschaft von Geistlichen und als Pfarrkirche für Aachen errichten ließ. Seit 936 wurden bis zum Jahre 1531 nahezu alle deutschen Könige in der Aachener Kirche gekrönt. Der Aachener Dom ist die Bischofskirche des Bistums Aachen und seit dem 13. Jahrhundert eine bedeutende Wallfahrtsstätte.
Pfalz
Die Aachener Pfalz war der wichtigste früh- und hochmittelalterliche Herrschersitz des fränkischen Königreiches. Ihre Bedeutung verdankte sie Karl dem Großen, der sie als seine Lieblingspfalz ausbauen ließ. Sie war größer als alle Palastanlagen, die fränkische Könige bis dahin erbaut hatten. Seit dem Winter 794/795 hielt sich der fast fünfzigjährige Karl regelmäßig in Aachen auf. Nach der Kaiserkrönung in Rom am ersten Weihnachtstag des Jahres 800 bezog er die vollendete Pfalz und machte sie zur dauerhaften Residenz bis zu seinem Tode im Jahre 814.
Rathaus
Der Bau geht auf die Aula Regia zurück, die Königshalle Karls des Großen. Für die Aachener Krönungsfeierlichkeiten der deutschen Könige wurde der Palast mehrfach umgebaut, je nachdem welchen Repräsentationsansprüchen er genügen musste. Von 936 bis 1531 fand hier das Krönungsmahl statt. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts errichtete die Aachener Bürgerschaft auf den Grundmauern des mittlerweile verfallenen Palastbaues ein neues Rathaus. Als Zugeständnis an die Tradition richtete sie dort auch einen Saal für das Krönungsmahl ein. Seit 2009 ist das Rathaus eine Station der Route Charlemagne und für Besucher geöffnet.
Regeln für die Königsgüter
Das Capitulare de villis ist eine Landgüterverordnung, die Karl der Große für die Verwaltung der Krongüter erließ. Sie beschreibt u.a. Dreifelderwirtschaft, Weinbau, Obstpflege und die Zucht von Haus- und Herdenvieh, aber auch die Haltung von Bienen und die Fischzucht. Sie ist ein Reformprogramm für die Bewirtschaftung der Krongüter, die das wirtschaftliche Rückgrat des königlichen Haushalts bildeten. Das Capitulare de villis ist ein Wissens- und Erfahrungsschatz nicht nur der Landwirtschaft, sondern auch der Medizin und des Handwerks.
Granusturm
Mit vier karolingerzeitlichen Geschossen, die bis in 20 m Höhe reichen, ist der Granusturm der bedeutendste noch aufrecht stehende karolingische Profanbau überhaupt. Über seine ursprüngliche Funktion kann bis heute jedoch nur spekuliert werden. Die einzigartige komplexe Gliederung der Räume und Treppenläufe im Turminneren wirft immer noch viele Fragen auf, die man nach heutigem Wissensstand nicht befriedigend beantworten kann. In der Vergangenheit waren hier Gefängnisräume und später ein Teil des Stadtarchivs untergebracht.
Mineral-Thermalquellen
Wegen der zahlreichen heißen und heilsamen Quellen siedelten bereits die Römer in Aachen. Aus dem gleichen Grund zog es auch die Karolinger nach Aachen. Mehrmals kamen Karl der Große und sein Vater zum Weihnachts- und Osterfest, bevor Karl hier seine Residenz errichtete. Die moderne Blütezeit des Badewesens begann im 17. Jahrhundert. Nach dem Stadtbrand von 1656 wurde Aachen zu einem der mondänsten Bade- und Kurorte seiner Zeit. Berühmte Kurgäste, Hotels und Kuranlagen zogen Gäste aus ganz Europa an. Heute setzen die modernen Carolus Thermen die Aachener Badetradition fort.
In den Chronoskopen werden kleine Filme von ca. 2 Minuten Länge abgespielt, die die Informationen wissenschaftlich aktuell und zugleich spielerisch vermitteln. Drei Personen können gleichzeitig in die „Gucklöcher“ eines Chronoskops schauen und so über das Gesehene ins Gespräch kommen. Da die „Gucklöcher“ in drei unterschiedlichen Höhen angebracht sind, können auch Kinder und Rollstuhlfahrende teilhaben.
Die Stationen der Route Charlemagne, wie z. B. das Centre Charlemagne, und natürlich der Dom mit der Dominformation (Empfangsgebäude für Besucher) sind eng mit den Chronoskopen verknüpft und inhaltlich abgestimmt. Die Chronoskope verweisen im Abspann auf die jeweils weiterführenden Informationen in den Museen und Informationsstellen bzw. grundsätzlich auf die öffentlich zugänglichen historischen Bauwerke selbst.
Vermittlung von Stadtgeschichte en passant
Die Chronoskope stellen das Element zur Vermittlung der Stadtgeschichte dar, das die niedrigsten Schwellen hat. Man begegnet ihnen wie zufällig. Die Neugier wird geweckt, weil man in etwas Verborgenes hinein schauen kann. Die Darstellung in den Filmen mit den animierten Bildern knüpft an gerade von Kindern und Jugendlichen geschätzte Sehgewohnheiten an. Über manche Sequenzen kann man auch lächeln oder sogar lachen.

Eine Neuentwicklung für Aachen
Das Chronoskop® ist eine Neuentwicklung für die Stadt Aachen. Wo anders gibt es bisher ein solches visuelles Element im öffentlichen Raum, mit dem mehrere Personen gleichzeitig eine Zeitreise in die Vergangenheit starten können? Das Büro Müller-Rieger hat daher ein europäisches Schutzrecht eintragen lassen.
Darüber hinaus wurde das Chronoskop® in einem langen und sensiblen Prozess entwickelt, der beispielhaft sein kann. Es wurde speziell für Aachen von einer renommierten Ausstellungsmacherin in Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären Team entwickelt. Von der Geschichtswissenschaft, Denkmalpflege, Stadtgestaltung bis zur Medienwissenschaft haben Fachleute ihren Anteil an der Entstehung der Idee „Chronoskop“ bis hin zur Weiterentwicklung und Detaillierung von Gestalt und Inhalten.