Prävention von exzessivem Medienkonsum
Der Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen ist in den letzten Jahren massiv angestiegen – in Zeiten der derzeitigen Pandemie sogar noch mehr. Doch bis wann ist Medienkonsum noch unbedenklich, ab wann hat sich dieser schon in eine Sucht verwandelt? Und wie können Erzieher*innen, Lehrer*innen, Schulpsycholog*innen hierzu mit Kindern und Jugendlichen ins Gespräch kommen und diese für die Gefahren sensibilisieren?
Auf inspirierende und lebendige Art stellte die Expertin und Fachkraft für Suchtprävention bei der Suchthilfe Aachen, Saskia Engelhardt, im Online-Workshop „Prävention von exzessivem Medienkonsum“ ihren Teilnehmenden ein ganzes Methodenwerk vor. Dieses ist eins-zu-eins im Unterricht oder in Gruppenstunden umsetzbar – und das auch noch digital wie analog. Aufgrund der großen Nachfrage nach diesem Workshop setzte das Euregionale Medienzentrum alles in Bewegung, um die Expertin nochmals für einen zusätzlichen Online-Vortrag zu ebendiesem Thema im April 2021 zu gewinnen. Durch ihre Arbeit mit Schüler*innen, genauso wie mit Eltern und Fachkräften, kennt die Referentin die verschiedenen Sichtweisen auf das Thema Mediennutzung nur zu gut.
Abgrenzung von Sucht zu Vorstadien
„Der Begriff Sucht wird viel zu schnell benutzt“, erklärt Engelhardt: „Mir ist es daher ein großes Anliegen, die Grenze zwischen häufiger Nutzung und Sucht klar abzustecken.“ Daher mussten in der Workshopvariante die Teilnehmenden in einem ersten Schritt in Kleingruppen die Stadien des Suchtverlaufs - positive Einstellung, Konsum, Gewöhnung, Rausch, Missbrauch und Sucht - selbstständig in eine sinnvolle Abfolge bringen. Anschließend sollten diese einem vorgegebenen Szenario ein passendes Stadium zuordnen und dies begründen. Gruppe A entschied sich dafür, dass es sich bei Kristin, die jeden Morgen nach dem Aufstehen erst einmal auf ihr Smartphone schaut und dadurch auch schonmal den Bus verpasst hat, um eine Gewöhnung handelt. Gruppe B schätzte dieses Verhalten wiederum als Konsum ein, was auf eine andere Definition von dem Begriff „Gewöhnung“ zurückzuführen war.
In der großen Diskussionsrunde stellte die Suchtexpertin hinterher klar, dass es weder bei der Abfolge noch bei der Zuordnung der Begriffe zu den Szenarien ein eindeutiges richtig oder falsch gebe. Stattdessen seien die Definitionsbildung und das Begründen in Gruppenarbeit für eine reflektierende Auseinandersetzung mit der Thematik entscheidend. In diesem Fall war der Unterschied auf die unterschiedliche Einordnung und Definition des Begriffs „Gewöhnung“ zurückzuführen. Im weiteren Verlauf solle man daher immer die Wortwahl der jeweiligen Teilnehmenden nutzen statt seine eigenen.
Demgegenüber sind Kriterien für Sucht klar definiert, wie zum Beispiel laut der Gaming Disorder im ICD-11. Danach liegt eine Sucht vor:
- Bei einer verringerten Kontrolle.
- Wenn die Sucht die Priorität im Leben darstellt, sprich andere Bereiche vernachlässigt werden.
- Bei einer Fortsetzung trotz negativer Konsequenzen, wie zum Beispiel Entzugserscheinungen (Schwitzen, Nervosität, Angstzustände, etc.).
- Wenn sich die Symptome über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten erstrecken.
Über Alternativen und „Safer Use“ diskutieren
Die Suchtexpertin empfiehlt, abschließend immer gemeinsam mit den jungen Menschen auch darüber zu sprechen, wie Medien so genutzt werden könnten, dass die Individuen nicht süchtig werden (safer use). Auch hier ist es wichtig, dass die Gruppe die Ideen selber formuliert. Ideen des safer use können von bewussten Smartphone-Auszeiten über Digital Detox bis hin zu einem Neuverteilen der Funktionen des Smartphone auf mehrere Geräte (Kalender, Uhr, Wecker, etc.) reichen.
Ebenso sollten ganz konkrete Alternativen für den Gebrauch von digitalen Medien festgehalten werden. Doch auch Erwachsene sind hier in der Verantwortung, nämlich dass diese immer wieder Gelegenheiten schaffen, so dass Kinder und Jugendliche überhaupt Alternativen wie etwa Sport, Gesellschaftsspiele und Kreatives kennen zu lernen.
Anlaufstellen bei (Medien-) Sucht
Bei klarer Mediensucht stehen Ihnen selbstverständlich immer die offiziellen Fachstellen beratend und unterstützend zur Seite:
- Für Alsdorf, Baesweiler, Herzogenrath und Würselen: Suchtberatung "Baustein" Alsdorf (02404 / 91 33 40, info@sucht-ac.de)
- Für Eschweiler und Stolberg: Suchtberatung Eschweiler / Stolberg (0241 / 51985553, suchtberatung@staedteregionaachen.de)
- Für Aachen: Suchthilfe Aachen (suchtberatung@suchthilfe-aachen.de)
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