Im Wandel der Kulturen und Religionen
Die Bestattungskultur ist seit jeher ein Spiegel der Zeit. In ihr offenbaren sich religiöse Vorstellungen, Ängste und Hoffnungen sowie gesellschaftliche Armut oder Reichtum. Zu den ältesten Bestattungsformen der Menschheit gehört die Feuerbestattung. Zeugnisse reichen zurück bis in die Jungsteinzeit (5600 bis 5500 v. Chr.). Schon hier fertigten Bandkeramiker kunstvolle Urnen für den Leichenbrand. Sie wurden oft in Gewänder gekleidet oder später in der Bronzezeit mit Bronzenadeln verziert. Auch das Urnengrab ist in Mitteleuropa eine Erscheinung der Bronzezeit, die sich mit der Urnenfelder-Kultur zwischen 1250 und 750 v. Chr. weit verbreitete.
Antike
In der Antike wählten bevorzugt wohlhabende Bürger*innen die feierliche Feuerbestattung und ließen sich anschließend in einem Steingrab beisetzen. Aber auch Epidemien führten zu massenhaften Leichenverbrennungen. Zu einer Parallelität von Erd- und Feuerbestattung kam es in der römischen Epoche. Diese Entwicklung wurde in der Spätantike vom sich ausbreitenden Christentum wieder zurückgedrängt. Der Glaube an die leibliche Auferstehung führte zur Ablehnung der Feuerbestattung. Ein Erlass Karls des Großen im Jahre 786 formulierte schließlich ein Verbot der Leichenverbrennung.
Älteste Legende
Eine der ältesten Legenden einer Leichenverbrennung schildert zugleich ein Beispiel treuester Gattenliebe. Artemisia, Gemahlin des Königs Maussolos (persischer Satrap von Karien 377 bis 353 v. Chr.), suchte ihren Schmerz über den Verlust des geliebten Lebensgefährten dadurch zu sänftigen, dass sie von seiner in Wein gestreuten Asche genoss, und dass sie für die Aschenurne eine prächtige Tempelhalle bauen ließ; letztere bekam nach dem Namen des Königs die Benennung „Maussoleion“ (heute: Mausoleum).
Quellen: http://de.wikipedia.org/wiki/Krematorium (4. Januar 2013)
http://crematorium.eu/index.html (4. Januar 2013)
Bekämpft, geduldet, gewünscht
Zuweilen schreibt die Historie wundersame Geschichten. So die des ersten Krematoriums in Deutschland, erbaut 1878 auf dem Gothaer Hauptfriedhof. Die Thüringer Residenzstadt im Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha galt als liberal und fortschrittlich, so gab es dort von Seiten des Herzogs Ernst II. und der Landeskirche weniger Widerstand bei der Einführung der als modern geltenden Feuerbestattung als in anderen deutschen Kleinstaaten. Die erste Einäscherung fand am 10. Dezember 1878 statt. Kein anderer als der Erbauer des Krematoriums selbst, der Bauingenieur Carl Heinrich Stier, wurde an diesem Tag den Flammen übergeben. Gestorben und in einem Erdgrab auf eigenen Wunsch vorläufig beigesetzt, war er allerdings schon ein Jahr vor Fertigstellung des Krematoriums.
Hitzige Diskussionen
Den Weg zur Feuerbestattung geebnet hatten die sogenannten Krematisten, die sich in Feuerbestattungsvereinen organisierten. Die Diskussion um Hygieneprobleme und mangelnde Friedhofsflächen gab ihrem Anliegen die nötige Dynamik. Im Dezember 1882 wurde die 100. Feuerbestattung in Gotha vorgenommen. Die Verstorbenen, die aus ganz Deutschland gebracht wurden, waren überwiegend evangelischer Konfession. Die katholische Kirche erließ 1886 ein striktes Verbot der Leichenverbrennung, welches bis in die 1960er Jahre Bestand hatte.
Trotzdem gewann die Feuerbestattung in Deutschland, von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, stetig an Bedeutung. 1891 ging in Heidelberg das zweite deutsche Krematorium in Betrieb, ein Jahr später in Hamburg das dritte. 1910 waren dann bereits mehr als 20 Krematorien in Deutschland errichtet.
Ein Erlass von 1934 regelte erstmal die Feuerbestattung einheitlich für das gesamte Reichsgebiet und stellte sie grundsätzlich der Erdbestattung gleich. Heute gibt es in Deutschland über 140 Krematorien. Die Feuerbestattung hat sich mit rund 50 Prozent Anteil von einer akzeptierten zu einer stark nachgefragten Bestattungsform gewandelt.
Quelle: Die Feuerbestattung, Prof. Dr. C Reclam; Robin Sircar, Dissertation, Untersuchung der Emissionen aus Einäscherungsanlagen… Kap. 4
Ein kommunales Feuerbestattungsangebot
Schon Anfang der 1960er Jahre signalisierten städtische Untersuchungen, dass die vorhandenen Friedhofsflächen auf längere Sicht nicht mehr ausreichen würden. Gründe dafür waren der erhöhte Bedarf an Wahlgräbern und die wachsende Einwohnerzahl. Als Standort für einen neuen überbezirklichen Friedhof wurde das Gelände „Auf der Hüls“ vorgeschlagen. Auf ihm sollte gleichzeitig ein Krematorium errichtet werden, um Aachener Bürgern eine wohnortnahe kommunale Feuerbestattung anbieten zu können.
Aus einem öffentlichen Wettbewerb ging die Planung des Architekturbüros Metzmacher hervor, die ab 1975 realisiert wurde. Mit Lieferung und Montage der Krematoriumsanlage, der zweiten im Regierungsbezirk Köln, wurde die Firma Wilhelm Ruppmann aus Stuttgart beauftragt. Die technische Bauleitung übte das Ingenieurbüro Bock aus Aachen aus.
Steigende Nachfrage erfordert Ausbau
Im Februar 1979 übernahm das damalige Garten- und Friedhofsamt nach erfolgter Abnahme zwei Verbrennungslinien bestehend aus jeweils zwei Etagenöfen, Verbrennungsluft-Vorwärmer, Grobentstauber und Abgasgebläsen. Am 8. Februar 1979 fand die erste Einäscherung in dem neuen Krematorium statt. In den ersten Jahren nach der Inbetriebnahme wurden in etwa so viele Aachener Bürger eingeäschert wie Bürger aus dem Kreis Aachen und Auswärtige. 1985 überschritt die Einäscherungszahl zum ersten Mal die 500. Danach stiegen die Kremierungen weiter rapide an. Mit 2.700 Verbrennung 1992 war die Kapazitätsgrenze erreicht. Eine Erweiterung der Anlage wurde erforderlich, zudem musste zur Aufrechterhaltung der Betriebserlaubnis die Steuerung der Öfen optimiert und ein verbessertes Abgasreinigungssystem zur Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte installieren werden.
Im Jahr 2000 Höchstmarke
Die Planungen zur Sanierung berücksichtigten zudem alle Auflagen des Arbeitsschutzes und der Berufsgenossenschaften. Wahrend des Vergabeverfahrens gelangte ein neuer leistungsstarker Ofen zur Marktreife (System Schulze Hochleistungs-EÄ-Ofen 97), von denen die Stadt zwei in Auftrag gab. Nach einer Bauzeit von knapp zwei Jahren, in denen der Betrieb trotz Sanierung weiterlief, erfolgte am 13.12.1999 die Abnahme der neuen Anlage. Die Zahl der Feuerbestattung stieg weiter an und verzeichnete im Jahre 2000 die Höchstmarke von über 4.750 Einäscherungen. Diese Tendenz hat sich wieder leicht abgeschwächt, aufgrund neu gebauter Krematorium in Nordrhein-Westfalen und dem benachbarten Ausland.
Eine Statistik der Gesamteinäscherungen in Stadt und Kreis Aachen von 1979 bis 2012